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Ein altbekanntes, aktuelles Drama

Ein altbekanntes, aktuelles Drama

Die Geschichte vom babylonischen König Belsazar steht schon im Alten Testament. Dieser biblische Text bildet den Kern des Oratoriums, das Händel im Jahr 1744 komponierte und in der folgenden Saison am King’s Theatre in London uraufführte. Händels Librettist Charles Jennens schmückte den an sich bereits dramatischen und etwas schauerlichen Text aus und fügte ihm Teile aus historischen Quellen hinzu, die er den Berichten der griechischen Geschichtsschreiber Herodot und Xenophon entnahm.
Das Ergebnis faszinierte Händel vor allem wegen der aktuellen Bezüge zu sozialen und gesellschaftlichen Fragen im England des 18. Jahrhunderts. An Jennens schrieb er: „Ihr ganz ausge­zeichnetes Oratorium in Musik zu setzen hat mich in große Begeisterung versetzt und beschäftigt mich noch immer“.

Es sind diese Muster, die wir alle kennen, die uns beschäftigen, weil sie immer wiederkehren, im Kleinen und im Großen: Ein narzisstischer Herrscher, jubelnde Gefolgsleute, eine warnende Freundin (in diesem Fall die Mutter des Tyrannen), ein über­spannter Bogen, und der tiefe Fall.

Während Jennens inhaltlich ins Schwarze trifft, berührt Händel uns durch die musikalische Umsetzung. Zur Zeit der Urauf­führung bestand in England ein Bühnenverbot für biblische Inhalte – ansonsten wäre dieses Werk wohl eine Oper geworden. Händel fügt detaillierte Regieanweisungen in die Partitur ein, die wir bei der heutigen Aufführung musikalisch weitgehend umsetzen werden.
Interessant ist die Tatsache, dass die Uraufführung sehr ent­täuschend verlief: Es kamen nur wenige Zuhörer und auch die waren nicht begeistert. Möglicherweise wurde die Handlung als Kritik am englischen Königshaus interpretiert, was bei den Engländern überhaupt nicht gut ankam. So wurde Belshazzar nach nur drei Aufführungen wieder abgesetzt und erst 1751 mit einigen Änderungen wieder aufgenommen. Durch Streichung einiger Arien, Einfügung neuer Stücke und der Besetzung des Cyrus mit einem Altus anstelle eines Mezzosoprans ergab sich eine Version, die sich als die erfolgreichere herausstellte und die Grundlage für eine weitere Bearbeitung bei der Wiederaufnah­me im Jahr 1758 bildete. Unser heutiges Konzert basiert auf diesen späteren Versionen und enthält einige weitere Kürzungen, um den Abend nicht zu lang werden zu lassen.

In Händels Werk wechseln Rezitative und ausdrucksvolle Arien einander ab, die Geschichte wird vielschichtig und dramatur­gisch geschickt auf die handelnden Personen verteilt, während im Mittelpunkt des Werkes der Chor steht: Als Volk der Babylonier, der Juden und der Perser treiben die mächtigen Chöre die Handlung voran.

Eine erstaunlich große Zahl der Oratorien Händels beruhen auf alttestamentarischen Geschichten. Dazu gehören neben Belshazzar auch Esther, Deborah, Saul, Israel in Egypt, Samson, Judas Maccabaeus, Solomon, Joshua, Susanna und Jephta. Diese Sujets waren damals beim Londoner Publikum sehr beliebt, und die Musik, die Händel dazu schrieb, zeigt, dass auch er von diesen Stoffen angezogen wurde. In der Chorkonzeption nahm sich Händel die Tradition der deutschen Oratorien zum Vorbild, in den Soli behält er dagegen die wesentlichen Elemente der Opera Seria bei.

Inhalt

Der persische Herrscher Cyrus belagert mit seinem Heer die Stadt Babylon. Die Einwohner fühlen sich jedoch sicher und spotten über den Versuch, die Stadt einzunehmen. Cyrus erfährt von Gobrias, der Babylon einst verließ und dessen Sohn durch den König Belsazar zu Tode gekommen ist, dass der schützende Fluss Euphrat für den Bau der Stadtmauern umgeleitet wurde. Die alten Gräben könnte man wieder öffnen und auf diese Weise die Stadt erobern.

Belsazars Mutter Nitocris sieht mit Entsetzen, wie sich Belsazar immer weiter selbst überhöht, wie er poltert und feiert, wie er die Babylonischen Götter preist und des jüdischen Gottes Jehovas lästert. Sie warnt Belsazar vor seinem Handeln, aber der König zeigt sich unbeeindruckt.

Während die Vorbereitungen für die Eroberung der Stadt voranschreiten, feiert Belsazar mit seinem Gefolge ein weinseli­ges Fest zu Ehren des Gottes Sesach. Der König befiehlt die heiligen Gefäße herbeizubringen, die sein Vater Nebukadnezar aus dem Jerusalemer Tempel geraubt hatte. Er füllt die Gefäße mit Wein und trinkt daraus, was eine aus christlicher Sicht unerhörte Freveltat ist. Infolgedessen erscheinen von Geister­hand (vermutlich hebräische) Zeichen an der Wand, die von den herbeigerufenen Gelehrten und Magiern nicht zu deuten sind, obwohl ihnen Belsazar Reichtum und große politische Macht verspricht.

Erst der Prophet Daniel übersetzt die Worte „Mene mene tekel Upharsin“ zu „gezählt, gezählt, gewogen, geteilt“ und deutet sie wie folgt:

MENE = gezählt hat Gott die Tage deines Königtums und ihm ein Ende bereitet
TEKEL = gewogen bist du auf der Waage und für zu leicht befunden
UPHARSIN = zerteilt wird dein Reich und wird den Medern und Persern gegeben

Die Perser fallen in die Stadt ein und töten Belsazar. Cyrus bekennt seinen Glauben an Jehova und verspricht den Juden die Freiheit und den Wiederaufbau ihres Tempels in Jerusalem.

Torsten Behle

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