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César Francks „Bergpredigt“

César Francks „Bergpredigt“

Lesen Sie unseren einführenden Text in das Oratorium „Les Béatitudes“ und laden Sie sich, wenn Sie möchten, schon die Online-Version des Programmheftes herunter. Hier finden Sie es: https://bit.ly/franck2020.

César Franck (1822–1890) kam in der belgischen Stadt Lüttich zur Welt, wohin seine Eltern nach ihrer Hochzeit im 40 km weiter östlich gelegenen Aachen gezogen waren. Der eigentliche Lebensmittelpunkt der Familie wurde aber nach einem erneuten Umzug die französische Hauptstadt Paris. Hier besuchte César Franck bis zum Alter von zwanzig Jahren das Konservatorium. Nachdem er zunächst als Organist an verschiedenen Pariser Kirchen beschäftigt worden war, wurde er ab 1858 hauptamtlicher Kirchenmusiker an der Pariser Kirche St. Clothilde, einem nach der heiliggesprochenen Gemahlin des Frankenkönigs Chlodwich benannten neogotischen Neubau im vornehmen 7. Pariser Arrondissement. Der Kirchenbau stand im Zusammenhang mit dem umfangreichen Bauprogramm Napoleons III. und seinem Bestreben, sich nach Usurpation der Macht ein Prestige als „sozialer Kaiser“ zu verschaffen. Von 1872 an wirkte César Franck auch als Professor für Orgel am Pariser Konservatorium. Seine Kompositionen umfassen Symphonien, Opern, Messen, symphonische Dichtungen, Kammermusik und Lieder. Das Oratorium „Les Béatitudes“ entstand in dem Jahrzehnt von 1869 bis 1879. Diese große Komposition und eine große Reihe bedeutender Orgelwerke wurden richtig populär erst nach dem Tod ihres Urhebers. Die posthume Uraufführung des Oratoriums fand 1891 in Dijon statt, 1893 wurde das Werk in Paris aufgeführt. Heute gilt César Franck als einer der großen Komponisten des 19. Jahrhunderts, der die sog. „französische Schule“ begründete‚ die durch den polyphonen Stil ihrer Werke gekennzeichnet ist. 

Textgrundlage für das Oratorium „Les Béatitudes“ ist die von einer Textverfasserin bearbeitete französische Fassung der Bergpredigt Jesu aus dem Matthäus-Evangelium Kap. 5, Verse 3 bis 12. Spürbar ist hierbei der in dieser Zeit populäre „Herz-Jesu“- Kult, dessen Anhängerin die Librettistin war. Das Herz des Menschen, in dem das Gute und das Böse miteinander kämpfen, wird erlöst durch das Herz Jesu. Achtmal wird die Predigt mit den Worten „Selig diejenigen, die“ (frz. bienheureux, ceux qui) programmatisch eingeleitet und wird nacheinander Gruppen von Menschen die Teilnahmeschaft an Gottes Reich zugesprochen: den Armen im Geiste, den Sanftmütigen, den Trauernden, denen, die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten, den Barmherzigen, den Menschen reinen Herzens, den Friedfertigen und den Verfolgten.

Diese acht Seligpreisungen (frz. béatitudes) geben, in sich vielfach gegliedert, dem monumentalen Werk den Namen und die Struktur. Sie folgen auf einen Prolog (Tenor Solo und Chor), in dem die Entrechteten einer Endzeit (zu jenen Zeiten, frz. ce temps-là) vom Himmel Rettung von Elend und Hoffnungslosigkeit erflehen. Ihnen antworten die Engel des Herrn: „Béni soit celui, qui fait renaître l’espoire dans les cœurs abattus“ (Gepriesen sei, der die Hoffnung in den verzweifelten Herzen wiedergeboren macht). 

Im weiteren Verlauf wechseln sich im Dialog zwischen „denen unten und denen oben“ irdische und himmlische Stimmen (Chöre und Solisten) ab. Sie verkörpern in großer Vielfalt sowohl Menschen (Eltern, Kinder, Sklaven, Philosophen, heidnische und jüdische Frauen, Pharisäer, Priester und als dramatischen Höhepunkt im siebten Teil die durch den Satan verführte Volksmenge), in eine bildliche Klangsprache gefasste allgemeine Aussagen, als auch himmlische Wesen. Die Raffgierigen, Sklaven, Heiden und Pharisäer werden zurechtgewiesen, dann wieder werden die Menschen über das Leid im irdischen Jammertal getröstet oder angesichts eines lieben Verstorbenen wieder aufgerichtet.

Jeder der acht Sätze gliedert sich in einen Teil, der zunächst das Leidvolle, Negative und Böse ausdrückt und einen anderen, der harmonisch das Christusthema enthält: Die Stimme Christi, gesungen durch den Bariton, vollendet die jeweilige Verheißung. Die Anfangsteile der ungeraden Seligpreisungen (I, III, V, VII) sind wilder, lärmender, kantiger gehalten (und in III und VII überdies erfüllt von wuchtigen, schnellen Chorfugen) als die verhalten beginnenden geraden (II, IV, VI) und der Prolog, die sich stärker der Innenschau widmen. In der letzten Seligpreisung (VIII) verkündet die vom Schmerz getroffene Mutter des Heilands (Mater Dolorosa, Mezzosopran) den Sieg des Guten über das Böse. Der himmlische Chor beschließt das Oratorium mit dem Lob des Vaters in Ewigkeit, denn er gibt Frieden auf Erden jenen, deren Herzen guten Willens sind. 

César Franck sah in der Bergpredigt den Mittelpunkt seines eigenen religiösen Lebens. Sie stellte das Bekenntnis seines Glaubens und seiner Ethik dar. Er nannte darum sein Oratorium „Les Béatitudes“ sein bestes Werk überhaupt. Ganz im Zeichen der durch Richard Wagner beeinflussten Kompositionstechnik seiner Zeit leitet César Franck sein Werk durch Celli und Fagotte mit einem synkopisch aufsteigenden Leitmotiv, dem „Christusthema“, ein, welches das göttliche Wirken symbolisiert. Dies wird durchgängig bis zum Schluss wiederholt und metrisch sowie modulatorisch variiert. Ganz im Sinne der kirchenmusikalischen Tradition steht die Kreuztonart Fis-Dur für Jesus Christus. Opernhafte Massenszenen erinnern an Giacomo Meyerbeer, als Einlage in den Trauermarsch des 3. Satzes (Reine implacable) klingen die Rhythmen der Revolutionsmusik durch: „En vain vers toi patrie l’exilé tend les bras“ (vergeblich streckt zu dir, Vaterland, der Verbannte die Arme aus). Impressionistische Klangfarben und Tonverbindungen werden in den Verheißungschören verwendet. Als einen „Versuch, die Bergpredigt zu aktualisieren“, nannte Klauspeter Bungert 1996 das Oratorium „Les Béatitudes“, begleitet von der Frage: Wer war César Franck? „Ein Mensch mit großem Gefühl, nicht minder großem Geist und einer gefährdeten Utopie, ein rückhaltloser Ausdrucksmusiker und Denker der musikalischen Form“ (1).

© Dr. Uwe Schmidt


(1) Klauspeter Bungert, 1996: César Franck – die Musik und das Denken. Das Gesamtwerk, neu betrachtet für Hörer, Wissen- schaftler und ausübende Musiker. Mit einer allgemeinen Erörter- ung zum Ineinandergreifen von Form und klingendem Satz“, Frankfurt am Main 1996, S.218.

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