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Gewogen – und für sehr gut befunden!

Gewogen – und für sehr gut befunden!

Händels „Belshazzar“ in der Laeiszhalle Hamburg

Text:  Beitrag von Dr. Andreas Ströbel – Klassik begeistert vom 7. November 2023
Fotos:  Simon Redel

Zugegeben – das Lob in der Titelzeile mögen Bibel-Puristen als etwas konstruiert empfinden, aber angesichts der großartigen Leistungen aller Mitwirkenden am 5. November 2023 in der Hamburger Laeiszhalle drängt es sich einfach auf, die Deutung der Flammenschrift, die dem babylonischen König Belshazzar das nahe Ende verheißt, ins Positive umzuwidmen. …

…„Belshazzar“ ist … ein hochaktuelles Stück, denn das Ganze ist nichts anderes als „ein weltgeschichtliches Drama“, wie der Musikwissenschaftler Werner Oehlmann es nennt. Juden, Perser und Babylonier stehen sich gegenüber, und jede der Gruppen sieht sich im Recht und vor allem im Besitz der Wahrheit. …

… Händels musikalische Gestaltung ist nichtsdestotrotz dennoch ausgesprochen vielfältig, entsprechend dem Libretto von Charles Jennens, der sich neben der biblischen Vorgabe allerlei anderer antiker Quellen bediente. Rezitative, Arien und Chorpartien wechseln in rascher Folge ab und der gemischte Chor muss gleich drei Völker, nämlich die Juden, die Babylonier und die Perser darstellen.

Vor allem die Solopartien erhalten allein durch ihre Stimmlage jeweils einen sehr eigenen Charakter; die Solisten brillieren dementsprechend auch in der Laeiszhalle. In der Titelrolle glänzt mit durchdringendem Tenor Mirko Ludwig. Für Lord Byron war Belshazzar jemand, der „unfähig zu herrschen, zu leben und zu sterben“ war. Bei Händel fällt er eher durch seine Oberflächlichkeit und Gier auf als durch finstere Bösartigkeit.

Ludwigs Interpretation des babylonischen Herrschers ist ganz dementsprechend geprägt durch eine dekadente Sinnlichkeit.

Als er in seiner Arie Nr. 33 „another bowl“ noch einen Kelch Weines verlangt, tut er das wie ein besoffenes großes Kind und erinnert dabei ein bisschen an Peter Ustinovs Darstellung des Nero in „Quo vadis?“. Seine Mimik, Stimmgewalt und ungemeine Präsenz geben den selbstgefälligen Machtmenschen der Lächerlichkeit preis. Er spielt den König eben auch und das gelingt ihm ganz hervorragend ebenso im Duett, beispielsweise mit Karola Sophia Schmid, die seine Mutter Nitocris gibt (Nr. 21).

Die Blicke, die sich die beiden zuwerfen, sprechen Bände – einerseits ist da der fast kindliche Trotz, andererseits die Mahnung der Mutter, die ahnt, wie schlimm die Geschichte ausgehen wird.

Die Sängerin verleiht der Rolle mit ihrem jugendlich hellen und wunderschön klaren Sopran eher den Charakter der Zeitlosigkeit. Das ist nicht das alte Mütterlein, das auf seine erzieherische Rolle reduziert ist, sondern eine Kassandra-Stimme, die alterslos zu Vernunft und Dialog aufruft.…

Auch Wiebke Lehmkuhl als Daniel ist nicht der besserwisserische, altkluge Prophet, sondern ein in sich und seinem Gott ruhender junger Mann, der das, was er vorbringt, mit Überzeugung verkündet. Die großartige Altistin muss gestisch nicht viel tun, denn ihre Stimme dringt auch in den Piano-Passagen stets mühelos und glänzend durch. 

Jemand aus dem Publikum will seiner Begeisterung Luft machen und klatscht in ihre erste Arie hinein. Den Beifall hat die Künstlerin zweifellos verdient, aber man sollte das Stück schon kennen, wenn man sich zu solch einer Reaktion auf die Darbietung hinreißen lässt.

Der Countertenor Franz Vitzthum ist als König Cyrus zu erleben. und wie er sich fast mit jazziger Geschmeidigkeit durch die Koloraturen schraubt, ist einfach grandiosManche Sänger dieser Stimmlage neigen gerade in den Höhen zu einer gewissen männlichen Kehligkeit, aber Vitzthum klettert ohne jede Anstrengung in alle Lagen; zudem verleiht er der Rolle mimisch und gestisch eine wunderbare Lebendigkeit.

Stimmlicher Antipode dazu ist Yorck Felix Speer als Gobrias und später als Bote. Mit seinem warmen, tiefgründenden Bass vermittelt er glaubhaft die Trauer um den getöteten Sohn und die Anklage gegen den maßlosen Herrscher.

Diejenigen, die Matthias Janz kennen, schätzen seine Zugewandtheit und Freundlichkeit; so ist auch bei diesem Oratorium in den frohen Gesichtern gerade der Violinistinnen und Violinisten des Elbipolis Barockorchesters Hamburg gleichsam wie im Spiegel Janz’ Begeisterung und Freude an der Leitung des Ensembles abzulesen. …  Mit weiten Armbewegungen spornt er den feinfühlig-anspruchsvollen Symphonischen Chor Hamburg zu Dynamiken an, die im ersten Akt noch etwas verhalten sind und sich dann in den beiden Folgeakten steigern …

…Aus dem Chor sind die drei musikalische Magier rekrutiert, und Ann-Kathrin Rosenkranz, Harald Suntke Redenius und Christopher Karow können dem entsetzten Belsazar die feurige Schrift nicht deuten. Das braucht schon einen ausgemachten Propheten.

Alle Mitwirkenden ernten nach dem abschließenden „Amen“ herzlichen, langanhaltenden Applaus, und vor allem für Matthias Janz sowie die Solistinnen und Solisten gibt es „Bravo!“-Rufe. Sie brauchen die große Wiege-Prüfung durch die Feuerhand nicht zu fürchten!

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